Ich verspotte jegliche Beschreibung von mir
Und wer bricht sich gerade sein Gehirn wegen der Überschrift? Es liest sich so falsch, oder? Aber ich finde es sooo gut. Fiel mir letzte Nacht ein, als ich das Fieber von Sue Klein auf sein Vorhandensein kontrollierte. Ich schätze, viele meinen, ich wünsche es mir herbei. Ich kann Euch sagen: Es hat geklappt! Ironieaus.
Ja letzte Nacht, als in meiner Wut meine Zahnschmerzen wieder aufflammten. Denn immer, wenn ich mit mir uneins bin oder mein Leben mich piesackt, dann sagen es mir meine Zähne zuerst. Erst dann kommt der große Aha-Effekt. Katrin, Mutter von Sue Klein, Sue Heck und Sue Weitweg, Du hast doch was! Es quält Dich etwas, Du musst umdenken, es auflösen.
Seit Wochen schon bin ich wütend, gereizt. Es fällt auf, es nervt mich, es nervt andere. Ich bin kein Stück ausgeglichen. Lange brauchte ich, um klar zu erkennen, woran es liegt. Eigentlich ist es ganz einfach, es hat in Sachen Selbsterkenntnis schon einen riesen Bart. Aber ich muss es wohl mal loswerden:
Andere empfinden mein Leben als falsch-so wie meine Überschrift! Aber ich finde es sooo gut-mein Leben. Und das ist der Punkt. Statt es allen so mitzuteilen, bin ich verletzlich, ständig rechtfertige ich mich und grübele, wie ich es anderen Recht mache. So läuft es aber nicht. Denn da ist eine riesen Schere zwischen meinen Empfindungen und dem, was andere meinen, mir sagen zu müssen. Und das macht mich so wütend. Weil ich stets ausgleichen möchte. Denn mit Hochsensibilität spiegelt man sein Gegenüber sofort. Ich fühle, was er fühlt. Nur selten klappt es anders herum. Ich erkenne übrigens auch Menschen, die sich für hochsensibel halten, es aber entweder maskieren oder es schlichtweg nicht sind. Empathie ist nämlich für mich eines der größten Anzeichen für HS.
Meine Wut, die ich spüre, ist gar nicht so frustbasiert wegen der vielen Krankentage von Sue Klein, auch nicht wegen der vielen Baustellen von Sue Klein. Mein Frust kommt auch nicht davon, dass ich viel zu langsam Kilos verliere trotz Verzichts und mehr Bewegung und sogar Sport! Ächz… ich und Sport. Auch, dass mein Wiedereinstieg in die Arbeitswelt sich so hinzieht, nein das frustriert mich nicht. Der Frust kommt daher, dass jeder seinen Senf dazu geben muss. In die Jammerrolle kommt man nämlich erst aufgrund von Reaktionen. Ich weiß nicht, wie es bei anderen ist, aber wenn ich über meine Probleme rede, fallen mir währenddessen oft Lösungen dazu ein. Ich befinde mich tatsächlich in keiner Opferrolle, sondern ich möchte es durch Aussprechen löschen. Klappt erstaunlich oft.
Man muss uns nicht sagen, dass wir doch glücklich sein können, weil Sue Klein es geschafft hat. Man möge es glauben, wir sind sooo glücklich darüber. Ich war dabei, als auf unserer Station ein paar Zimmer weiter ein kleiner Engel starb. Ich habe so viele Sternenkindereltern kennengelernt, so unendlich viele, viel zu viele. Ich lese noch immer viele ihrer traurigen Posts auf Facebook über Kinder, mit denen wir viel Zeit verbrachten, die ich in mein Herz geschlossen hatte. Nein, ich werde nicht den Kontakt zu ihnen abbrechen, nur dass ich nicht mit dem Thema Tod konfrontiert werde. Sie sind schon allein genug. Wie schrieb erst gestern eine Mama? Nichts fühlt sich mehr richtig an.
Und nur der leiseste Vorwurf, wir würden uns in unserer Situation sühlen, uns zu gern bemitleiden lassen, macht mich so wütend. Oder dann diese Neidnummer, die alle Menschen mit Schicksalen durchmachen. Schon lange berichten wir nicht mehr über Zuwendungen oder Sachleistungen, die unter uns gesagt, quasi nicht mehr geleistet werden. Denn die Zeit, wo einem das noch gegönnt wird, ist bereits mit der Nachricht vorbei, dass das Kind es geschafft hat. Egal, wie es ausgeht: Du bist danach allein. So sieht es aus. Du gehörst auch nicht automatisch wieder zu den anderen, denn Du bist plötzlich die mit dem Kind, was mal Krebs hatte. Ich erzähle es nicht mehr.
Plötzlich soll Dein Kind auch wieder leisten, was andere leisten. Es ist ja wieder gesund. Die Sonderstellung, die man theoretisch aufgrund der Folgen der Therapie hat, bekommt man nicht wirklich. Statt einer angeblichen Übervorteilung wird das Kind benachteiligt, denn man hatte doch schon genug Verständnis. Es muss doch mal gut sein! Schau doch mal, wie fröhlich sie ist. Sie tobt wie die anderen! Der Beweis, dass sie wieder ganz die Alte ist.
Ganz empfindlich reagiere ich zur Zeit auf Menschen, die mir mit folgenden Sätzen kommen: Jeder hat sein Päckchen zu tragen. Bei jedem geht das Leben weiter. Menschen, von denen ich mal dachte, dass sie Freunde sind, für die ich getan hätte, was ich erwartet habe. Natürlich kommt mir die Erkenntnis nicht erst jetzt, dass Du die wahren Freunde erst erkennst, wenn es Dir schlecht geht. Aber wer sich damals zur Zeit der Therapie bewusst aus unserem Leben rausgehalten hat, weil er ja selber so viele Probleme hatte, hat in meinem Leben keinen Platz mehr, keinen besonderen mehr so wie vorher. Zu lange habe ich genau die Menschen in Schutz genommen, denn ich hing an ihnen. Doch es tat mir nicht gut. Sie durften Dinge zu mir sagen, die ich nicht hätte zulassen sollen.
Und so trennt sich eben, was wohl doch nicht zusammen gepasst hat. Freundschaft ist ein sehr dehnbarer Begriff. Ich danke noch mal allen, die für uns da waren. Ich kann nicht genug danke sagen. Unter einen gehässigen Post zu einem Spendenaufruf für den tumorkranken Maurice schrieb ich mal: „Genau nur kein Mitleid, davon hat die Welt genug. Kein Mitleid.“
Früher habe ich nie verstanden, warum Menschen so werden, so hart und unnachgiebig. Ich bekomme langsam eine Ahnung davon. Eigentlich tut es mir leid um meine Nachgiebigkeit, um mein Verständnis für jeden. Ich war stolz auf mein Verzeihen und Entschuldigen. Vielleicht war ich nur schwach und konfliktscheu. Wer weiß. Und trotzdem höre ich im Hintergrund Andreas Bourani: „He, sei nicht so hart zu Dir selbst…“.