Was das Schreiben so schwer macht oder wie ich mich freischreibe
Bei Was eigenes las ich etwas über das Schreiben, fast hatte ich das Gefühl, der Artikel wäre von mir. Und viele Bloggerinnen, die unter dem Artikel kommentierten, empfanden dies auch so. Und die, die gern schreiben, kennen das. Eigentlich möchten sie die Sau rauslassen, mal so richtig das Innere nach außen kehren. Schreiben wie Schreien im Wald-ohne Hemmungen, ohne selbstauferlegte Grenzen, ohne sich Gedanken darüber zu machen, wer liest.
Es geht eigentlich nur um das Freischreiben. Aber kann man das in einem Blog, in dem immer ein Verantwortlicher im Impressum steht? Und kann man das, wenn wie in meinem Fall ständig jemand in der Nähe ist? Schreiben ist ein kreativer Prozess, der im besten Fall ungestört und ohne Zeitdruck verläuft.
Mein Mann ist ein Künstler, auch wenn er sich nie so bezeichnen würde. Er malt gerade mal wieder Öl auf Leinwand, ein Auftrag. Ihn stört es überhaupt nicht, wenn ihm dabei jemand auf die Finger schaut. Keinen Pinselstrich würde ich schaffen, wäre so ein Gewusel wie bei uns hinter meinem Rücken. Aber selbst er braucht Ruhe und Motivation, um in diesen kreativen Flow zu kommen.
Hier im Blog geht es natürlich ums Schreiben. Jeder, der hier liest, weiß durch einen Blick in das Impressum, wer hier schreibt und warum. Und es ist auch unschwer zu erkennen, dass ich hier so gar keinen Flow habe. Ursprünglich war mein Gedanke, dass sich hier alles um die Zeit nach der Leukämie meiner Jüngsten dreht-als Motivator und Hilfe für Familien, denen es nach uns irgendwann oder aktuell genauso geht. Aber die Dinge ändern sich. Zur Zeit lasse ich los. Denn es geht mir noch immer nicht gut.
Dieses Loslassen sollte eigentlich durch das Schreiben geschehen. Doch ich bin wortlos. Leer. Nichts will mir von den Fingern springen, kein vernünftiges Thema von Anfang bis Ende. Ich kenne so wundervolle Blogs wie von Limalisoy, die ebenso mit Depressionen kämpft und immer wieder dafür Worte findet. Wäre mein Leben mein Blog, wäre so gar nichts los bei mir. Liebe Freunde, die Ihr hier mitlest, Ihr wisst: dass es nicht so ist. Aber ich will und kann so viel Privates nicht mit der Welt teilen. Und das macht mich hier so sprachlos, gehemmt.
Zur Zeit sind Rants sehr beliebt, also Artikel, die überspitzt und böse ein Thema aufgreifen und sich dann austoben: Rants über zu wenig Solidarität unter Bloggern, Rants über Helikopter-Eltern, Rants über das Stillen, Rants über das Mutterseinbereuen, Rants über Rants. Danach ist mir auch ab und zu. Es gäbe viel zu granteln und zu meckern. Ich würde nicht fertig werden. Auch bin ich da sehr gemein und spare nicht mit Sarkasmus. Aber allein es fehlt mir die Kraft, es aufzuschreiben und manchmal auch etwas Bösartigkeit, es lesenswert zu machen. Es scheint, als würde man auf Teufel komm raus Leser wollen.
Denn, wenn wir ehrlich sind, gibt es doch zu jedem Thema schon tausend Meinungen. Ich habe manchmal das Gefühl, dass ich eine der ersten im Internet war. Als meine Älteste noch die Einzige war und noch sehr klein, las ich süchtig und gern im Babyzimmer. Hände hoch, wer es kennt. Und da flogen die Fetzen täglich, es gab Fakes und Trolle und eben Rants. Und natürlich waren genau diese Posts die meist gelesenen. Die Altmitglieder können sich mit Sicherheit noch an so manchen Klassiker unter den Beiträgen erinnern. Flüster: Da ist ja gar nichts mehr los im Forum. Aber lasst Euch nicht täuschen. Auf dieser Webseite gab es die besten und intelligentesten Schlagabtäusche, die ich bisher las. Aber dann kam Facebook.
Facebook-Fluch oder Segen? Das Portal für Hetzer, Headline-Leser, Video-Seher, Selbstdarsteller? So ganz kann ich das nicht unterschreiben. Jedoch habe ich erst ein einziges mal das Facebookfasten durchgezogen. Seitdem bin ich wieder voll „drauf“. Aber ich lese bewusster und sortiere aus, was mir nicht gut tut. Ich brauche nicht täglich eine Weltuntergangsankündigung, die Verarsche, dass Krebs längst heilbar ist oder den Hinweis, dass ich endlich aufwachen soll. Und genau was soll ich dann tun? Mehr Schreiben?
Die letzten Monate habe ich mich viel mit Achtsamkeit, Yoga, gesunder Ernährung und Fotografieren beschäftigt. Was man eben als alte Frau so macht. Oft musste ich mich beherrschen, um nicht auch noch ein Malbuch für Erwachsene zu kaufen. Minimalismus ist auch so ein Thema, welches mich bewegt. Um damit anzufangen, habe ich mir das Buch „Magic Cleaning“ von Marie Kondo zugelegt und noch nicht wieder weggelegt-auch nicht weggeschmissen. Bisher war das Buch eine Erleuchtung. Denn Wegschmeißen und Neuordnen ist auch Loslassen.
Da ich mich nicht scheiden lassen will und familienbedingt nicht einfach wegziehen kann, was ich mir im Moment von Herzen wünsche, muss ich für das Loslassen von der Krankheit meiner Tochter und den letzten anstrengenden Jahren andere Möglichkeiten suchen. Und warum nicht Schreiben? Mich freischreiben. Roy Peter Clark hat mit „50 Werkzeuge für gutes Schreiben“ eine Bibel für die schreibende Zunft geschaffen. Wer nicht weiterkommt, so wie ich im Moment, sollte dieses Buch lesen. Es gibt auch Bücher über therapeutisches Schreiben, die sehr gut sind. Einfach den guten Bewertungen folgen auf den diversen Bücherportalen oder den Buchladen seines Vertrauens besuchen.
Wie es hier weitergeht, weiß ich nicht. Vielleicht wird Papmami wieder mehr mein Projekt, vielleicht werde ich wieder mehr ich. Vielleicht plaudere ich doch wieder munter über unser wildes Familienleben, über das Funktionieren trotz Depressionen und über die Angst nach der Krankheit. Vielleicht schreibe ich auch nur noch Rants getarnt als kleine Kurzgeschichten. Vielleicht… vielleicht wird alles viel leichter.
2 Kommentare
Limalisoy
Warum nicht einen Rat gegen die immer wiederkehrenden bösen Phasen der Depression schreiben? geht weg ihr bösen Geister, ich habe die Schnauze voll von euren einnehmenden Wesen und eurer negativen Stimmung!
Mir geht es gut und ich sehe meine Worte mit lachenden Augen, aber die dunkle Zeit nähert sich. Und auch der Stress steigert sich… ich wappne mich und stelle mir vor, wie dein Mann in aller Seelenruhe malt, während hinter ihm die Kaddi, der Hund und die wuselnden Familienmitglieder ein normales Chaos anrichten – herrlich!
Genieße die schönen Momente und sag dich los von der Vergangenheit. Klar ist es hart, die Krankheit deiner Tochter zu verarbeiten. Aber sie ist bei dir und mittlerweile gesund, wenn ich mich recht erinnere.
Durch dich und deine Geschichte habe ich mir einmal mehr Zeit für meine eigenen Mädels genommen und auch der fast Zehnjährigen in der letzten Zeit immer mal wieder etwas vorlesen. Einfach so, um noch enger zusammen zu sein und das Leben mit den schönen Momenten zu feiern.
Ich drück dich ganz doll und freue mich, bei dir auch mal wieder was zu lesen – nicht nur bei fb!
Liebst,
Yvonne
Kaddi
Liebe Yvonne,
siehste, ich schau hier nur alle paar Tage vorbei und heute habe ich Deinen sooo lieben Kommentar gefunden. Danke für so viele liebevolle Zeilen.
Vorhin als ich gedanklich wieder bei meinem Blog war, habe ich sogar kurz überlegt, den Blog einfach dicht zu machen. Natürlich habe ich viel zu sagen, auch zu erzählen. Allein der Spagat zwischen interessant und privat fällt mir so schwer.
Da ist auch die Suche nach Leben. Wieviel Sinn macht normal und was sind alles Luxusprobleme in unserem überfüllten Leben. Auch ist da der Gedanke, hier eben keinen Jammerblog zu füllen, weil ich ja auch so dankbar bin. Die Uschihexe ist der Hammer, glücklich und das Leben aufsaugend. Seit zwei Wochen trägt sie ein Hörgerät und es ist endlich etwas ruhiger. Lächel.
Wir sind weder sonderlich unglücklich oder erleben nichts. Das aber gehört hier aber eben nicht her. Wir haben als Folge unserer Geschichte noch immer eine Baustelle, die grad wie der BER erscheint.
Ich habe übrigens Deine letzten Artikel gelesen und zum Thema Hochsensibität ist mir auch jede Menge eingefallen. Danke Yvonne… die Kaddi